Eigentlich sind sich doch alle einig, dass Ausbeutung, Kinderarbeit, gesundheits- oder gar lebensbedrohliche Arbeitsbedingungen und Zerstörung der Umwelt erkannt und vermieden werden sollten, oder? Klar, wichtige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und andere Versuche, Menschenrechte zu achten, gibt es längst – etwa der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative Standards. Leider haben sie nur begrenzte Wirkung.
Überall auf der Welt werden Regenwälder illegal abgeholzt, Gewässer und Böden vergiftet und Menschen in sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen gehalten, damit wir unsere Smartphones, Steaks und billigen T-Shirts bekommen.
Worum geht es eigentlich?
Genau diese Missstände adressiert die wichtige Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) – das EU-Lieferkettengesetz. Über Jahre ausgehandelt und abgestimmt, hätte es eigentlich im Februar endgültig verabschiedet werden sollen. Eine reine Formsache – wenn nicht die FDP ihre Zustimmung verweigert und damit eine Ja-Stimme der Bundesregierung vorerst unmöglich gemacht hätte.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher braucht es Expertenwissen, um bereits die Lieferketten der Produkte eines kleinen Supermarktsortiments nachzuvollziehen. Unternehmen hingegen können besser durchschauen, wie die Zulieferer und Geschäftspartner es mit den Menschenrechten und dem Schutz von Klima und Umwelt halten. Sie stehen in direktem Kontakt mit ihren Partnern und haben Einblick in ihre Arbeitsweise. Zumindest, wenn sie wollen.
Die EU-Richtlinie soll aus dem Wollen ein Müssen machen: Europäische Unternehmen ab einer bestimmten Größe werden verpflichtet, bei ihren Zuliefererbetrieben auf die Einhaltung von Standards zu achten.
Und anders als im deutschen Lieferkettengesetz, das bereits seit 2023 gilt, kommt noch eine Klimaschutz-Komponente hinzu: Unternehmen müssen einen sogenannten „Klimaplan“ erstellen. Das heißt, sie zeigen konkret und plausibel auf, wie sie ihre eigenen Emissionen und auch die in ihrer Lieferkette reduzieren, sodass sie im Einklang mit den Pariser Klimazielen stehen.
Wie wirkt das Gewohnte?
Warum will die FDP nicht? Die Hauptargumente der Liberalen: Zu viel Bürokratie und zu viel Belastung für den Mittelstand. Stimmt, Lobbyisten murren laut. Hier gibt's einen Faktencheck der taz dazu. Vor allem bedeutet das Gesetz nicht mehr, sondern weniger Bürokratie. Denn es gebe gar keine umfangreiche Meldepflicht, erklärt die Zeit.
Ende Januar verkündeten Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP), letzterer federführend beteiligt an der Aushandlung des Kompromisses, dass sie diesen Gesetzesentwurf nicht mittragen können. Sie finden, neben den oben schon genannten Punkten, unzumutbar, dass deutsche Unternehmen für Verstöße ihrer Zulieferer rechtlich belangt werden könnten.
Das Argument ist keines. Im Rahmen des Gesetzes sollen Unternehmen nicht für Rechtsbrüche anderer verantwortlich gemacht werden, sondern lediglich für Verletzungen ihrer Sorgfaltspflicht: Darauf zu achten und hinzuwirken, dass Standards entlang der Kette eingehalten werden, ist etwas anderes, als für die Einhaltung von Standards haftbar gemacht zu werden. Aber: Baut das Unternehmen selber im Ausland Mist, muss es auch haften. Und Klagen in Deutschland, etwa von NGOs, wären zulässig.
Das kurzfristige Nein hat für ziemliche Irritationen gesorgt – inbesondere auf europäischer Ebene. In Brüssel ist immer öfter und nicht allzu freundlich vom „German Vote“ die Rede. Die Verlässlichkeit der Bundesregierung steht auf dem Spiel.