06 February 2024

Zur notwendigen Annahme der CSDDD durch den EU-Rat

In unterschiedlichen Disziplinen forschen, lehren und beraten wir zu Fragen der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft. Die aktuellen Pläne gegen eine Annahme der im Trilog abgestimmten EU-Lieferkettenregulierung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) durch den EU-Rat, initiiert von den FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Justiz (Christian Lindner und Dr. Marco Buschmann),1) nehmen wir mit großer Sorge wahr. Sie stellen nicht nur das Gelingen der CSDDD, sondern auch die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft in der EU nach dem EU-Green-Deal-Projekt in Frage. Wir finden: die CSDDD bedeutet nicht nur Aufwand, sondern sorgt für Rechtssicherheit für Unternehmen mit internationalen Lieferketten.

Ziel des EU-Green-Deals ist neben der Stärkung der Menschenrechte und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen (z.B. Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit) die Erreichung einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050. Dies setzt u.a. die Implementierung einer unternehmerischen Klimastrategie im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und entsprechenden Anreizsystemen auf Ebene der Unternehmensleitung voraus. Die Aussage, dass die Vorgaben der CSDDD „mit der Funktion der Aufsichtsorgane nicht vereinbar [sind] und einen schweren Eingriff in die Corporate Governance dar[stellen]“, ist daher kritikwürdig. Ohnehin ist über Nachhaltigkeitsaspekte künftig nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu berichten. Diese bezieht auch die Wertschöpfungskette mit ein. Die Aussagekraft der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie die übergeordneten Zielsetzungen der Klimaneutralität und Stärkung der Menschenrechte in der EU wäre ohne die CSDDD in Gefahr.

Die Argumentation der Minister Lindner und Buschmann stellt auch das bereits am 1.1.2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) in Frage, da eine fehlende EU-Harmonisierung durch die CSDDD die wettbewerbliche Situation der deutschen Wirtschaft im internationalen Verkehr deutlich verschlechtern dürfte. Der Aussage, durch die CSDDD „drohe auch menschenrechtlich und ökologisch eine Verschlechterung der Situation“ durch Reshoring, treten wir entschieden entgegen.

Die CSDDD wird für inländische Unternehmen gegenüber dem LkSG nur punktuell einen administrativen Mehraufwand verursachen (u.a. risikobasierter Ansatz, keine wesentlichen zusätzlichen Reporting-Pflichten). Die CSDDD würde zugunsten der deutschen Wirtschaft die notwendige Wettbewerbsgleichheit in Europa herstellen. Diesen wichtigen Beitrag der europäischen Regelung gilt es jetzt durch politische Geschlossenheit zu verteidigen. Wir fordern die deutsche Bundesregierung daher auf, sich im EU-Rat aktiv für eine Annahme der CSDDD einzusetzen.

In alphabetischer Reihenfolge:

Prof. Dr. Heribert M. Anzinger, Universität Ulm

Prof. Dr. Anna Beckers, Universität Maastricht

Prof. Dr. Lucia Bellora-Bienengräber, Universität Groningen

Dr. Matthias Birkholz, lindenpartners

Prof. Dr. Judith Brockmann, Universität Kassel

Prof. Dr. Lisa Carstensen, Universität Kassel

Prof. Dr. Martina Deckert, Universität Kassel

Prof. Dr. Laura Marie Edinger-Schons, Universität Hamburg

Dr. Klaas Hendrik Eller, Universität Amsterdam

Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, Universität Kassel

Prof. Dr. Martin Franz, Universität Osnabrück

Tonio Friedmann, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Dr. Nicola Gundt, Universität Maastricht

Prof. Dr. Malte-C. Gruber, Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann, Humboldt-Universität zu Berlin

PD Dr. Markus Helfen, Hertie School Berlin’s University of Governance

Prof. Dr. Isabell Hensel, Universität Kassel

Prof. Dr. Markus Kaltenborn, Ruhr-Universität Bochum

Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Dr. Judith Kopp, Universität Kassel

Prof. Dr. Markus Krajewski, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. Malte Kramme, TU Bergakademie Freiberg

Dr. Nora Lohmeyer, Radboud Universität Nijmegen

Prof. Dr. Bertram Lomfeld, FU Berlin

Prof. Dr. Timo Meynhardt, HHL Leipzig Graduate School of Management

Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Prof. Dr. Hans-W. Micklitz, Europäisches Hochschulinstitut

Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Prof. Dr. Florian Möslein, Philipps-Universität Marburg

Sean Needham, Helmut-Schmidt-Universität. Universität der Bundeswehr Hamburg

Prof. Dr. Jens Newig, Leuphana Universität Lüneburg

Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl, Hochschule RheinMain

Prof. Dr. René Repasi, Erasmus Universität Rotterdam

Prof. Dr. Giesela Rühl, Humboldt-Universität zu Berlin

Prof. Dr. Andreas Rühmkorf, Westfälische Hochschule

Dr. Miriam Saage-Maaß, ECCHR

Prof. Dr. Anne Sanders, Universität Bielefeld

Dr. Christian Scheper, Universität Duisburg-Essen

Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Schaltegger, Leuphana Universität Lüneburg

Prof. Dr. Frank Schiemann, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Dr. Christian Schliemann-Radbruch, ECCHR

Prof. Elke Schüßler, Leuphana Universität Lüneburg

Prof. Dr. Julia Schwarzkopf, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin

Prof. Dr. Lucia Sommerer, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Prof. Dr. Tobias Steindl, Universität Regensburg

Prof. Dr. Patrick Ulrich, Hochschule Aalen

Prof. Dr. Patrick Velte, Leuphana Universität Lüneburg

Dr. Dr. Carolina Vestena, Universität Kassel

Dr. Anne-Marie Weber, Universität Warschau

Prof. Dr. Stefan C. Weber, StB, Fachhochschule Wedel

Prof. Dr. Marc-Philippe Weller, Universität Heidelberg

Prof. Dr. Christopher Wickert, Vrije Universiteit Amsterdam

Prof. Dr. Inge Wulf, Technische Universität Clausthal

 

References

References
1 https://correctiv.org/wp-content/uploads/2024/02/Christian-Lindner-und-Marco-Buschmann-zum-EU-Lieferkettengesetz.pdf.

SUGGESTED CITATION  Brief, Offener: Zur notwendigen Annahme der CSDDD durch den EU-Rat, VerfBlog, 2024/2/06, https://verfassungsblog.de/zur-notwendigen-annahme-der-csddd-durch-den-eu-rat/, DOI: 10.59704/f72ee49b5319087b.

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