Worum geht es eigentlich?
Infrastrukturen prägen unser Leben. Nicht nur, aber besonders in Städten, denn dort leben 77 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung, müssen Straßen, Schienen, Wege verbessert und erneuert werden. Wenn’s hier ruckelt, merken wir das schnell – und wir leiden darunter. Läuft’s gut, geht’s uns gut.
Was gelegentlich in der Debatte untergeht: Mobilität ist kein Selbstzweck. Wir wollen etwas erreichen. Das gilt für den Arbeitsweg, den Besuch bei Freunden, die Tour zum Supermarkt ebenso wie den Trip zum Sport oder die Fahrt in den Erholungsurlaub. Die Frage ist: Wie viel und welche Art von Verkehr entsteht, um diese Bedürfnisse zu befriedigen? Wie können wir Orte erreichbarer und unseren Alltag einfacher machen, dabei Emissionen einsparen, Lungen und Gehör, Begegnungsräume und Natur schützen – und so unsere Lebensqualität verbessern?
Zielbilder dafür haben wir, etwa das SDG 11 für nachhaltige Städte der UN. Bis 2030 sollen möglichst alle Menschen Zugang zu bezahlbaren, sicheren, barrierefreien und klimaschonenden Verkehrssystemen, insbesondere Öffis, haben. Zudem gibt es die Leipziger Charta 2020. Sie ist das offizielle Leitdokument für Stadtentwicklung in Europa und stellt das Gemeinwohl in den Mittelpunkt. Heißt generell: eine „Stadt der kurzen Wege” mit weniger Verkehr und möglichst allem, was wir im Alltag brauchen, in bequemer Reichweite.
Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher?
Autos in Deutschland stehen durchschnittlich 97 Prozent der Zeit am Tag rum und verbrauchen viel Platz. Rund 40 Prozent der Pkw werden an einem durchschnittlichen Tag gar nicht bewegt. Das Festhalten an diesem Verkehrssystem ist eine teure Sache, auch für alle ohne Auto: Platz ist gerade in Städten ein kostbares Gut – und die Kilometer, die dann doch gefahren werden, kosten uns alle laut einer Studie der Universität Lund in Schweden rund 27 Cent. Der getankte Liter Benzin ist dabei nicht eingerechnet, sondern Kosten, die der Allgemeinheit entstehen. Berücksichtigt werden etwa Straßenbau, Unfallschäden, Lärm und Luftverschmutzung. Im Vergleich dazu ist jeder Kilometer auf dem Rad nicht nur gesünder, sondern spart der Gesellschaft 30 Cent.
Der Status quo verursacht enorme Ausgaben. Laut einer Analyse des Forschungsprojektes Ariadne aus dem Jahr 2021 belaufen sich die gesellschaftlichen Kosten, die durch umweltschädigende Aktivitäten entstehen, aber in unseren Bilanzen in der Regel nicht auftauchen, auf 455 bis 671 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland. Der Verkehr und der Klimawandel gehören zu den größten Kostentreibern in der Liste dieser Aktivitäten. Zahlen muss dafür die Allgemeinheit. Hinzu kommen von der EU verbindlich festgelegte Sektor-Ziele für das Einsparen von Emissionen. Werden die gerissen, sind Strafen in Milliardenhöhe fällig. Würden Designer und Ingenieurinnen wirklich auf weitere Straßen und Pkws kommen, wenn sie mit diesen Infos ein Mobilitätssystem neu entwickeln könnten?