Wird diese Nachricht nicht richtig dargestellt, klicken Sie bitte hier.

Liebe Leserinnen und Leser,  

das Einzige, was auf unserem Planeten noch nie gewachsen ist, sind die vorhandenen Quadratmeter. Die Flächenkonkurrenz nimmt daher immer stärker zu – Wohnen, Energie, Straßen, Gebäude, Nahrung, Natur – wer kriegt den Zuschlag? Und was macht die Nutzung dann mit unseren Lebensräumen und ihrer Qualität? Genau das wird bis zum 13. April in Brüssel beim New European Bauhaus Festival – dazu später mehr – diskutiert. Und zwar mit der Perspektive, wie wir über kluges Design einiges an Konkurrenz auflösen können. Das ist eine ziemliche Herausforderung, aber auch eine große Chance. 

Worum geht es eigentlich?

40 Prozent der Emissionen in Deutschland verursacht der Gebäudesektor.

Anders gesagt: Setzen wir hier an, finden wir kluge, dauerhafte Lösungen sind die Klimaziele in den nächsten Jahrzehnten in Reichweite.

Bauen gilt immer noch als bestes Mittel gegen Wohnungsnot. Der Berliner Senat hat gerade ein Gesetz auf den Weg gebracht, damit es in der Hauptstadt noch schneller geht. Auf den ersten Blick macht das auch Sinn. Anfang 2023 fehlten in Deutschland 700.000 Wohnungen, vor allem in den Städten. Deswegen kündigte die Bundesregierung ein neues Ziel an: Jährlich sollen 400.000 neue Einheiten entstehen, 100.000 davon sozial gefördert. Dafür braucht es aber Unmengen an Material, dessen Herstellung, Verwendung und Nutzung wiederum Unmengen an CO2-Emissionen verursachen. Das gilt insbesondere für Zement und Stahl.

Dabei hat jeder Bundesbürger durchschnittlich fast 48 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung, sagt die Statistik. Es gibt genug Flächen, diese sind allerdings nicht gerecht und optimal verteilt oder werden nicht genutzt. Einpersonenhaushalte liegen deutlich über dem Schnitt. Auf dem Land wiederum stehen 1,5 Millionen Wohnungen leer, in 77 Großstädten fehlen knapp 2 Millionen bezahlbare Mietwohnungen.  

Wie sieht’s mit dem Bestand und notwendigen Modernisierungen aus? Denn auch die Nutzung – Warmwasser, Heizwärme – ist sehr energieintensiv, man kann hier durch Sanierung und Modernisierung viel einsparen. Ein Viertel der Gebäude ist bis 1949 entstanden oder älter, nur ein Zehntel wurde in den letzten 20 Jahre gebaut, der Rest zwischen 1950 und 2000. Somit ist der Modernisierungsbedarf groß. Da hakt es aber ziemlich, zeigen ganz aktuelle Zahlen: 2023 wurden nur 0,7 Prozent der Häuser energetisch saniert. Rund 2 Prozent hätten es sein müssen, damit wir die für unsere Klimaziele wichtige Quote einhalten. 

Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher?

Die nachhaltige Erneuerung von Normen und Formen im Planungs- und im Baugewerbe ist zudem dringend notwendig, schreiben die Klima-Journalisten Toralf Staud und Nick Reimer in ihrem Sachbuch „Deutschland 2050“ zum Thema. „Tausende Regeln in Handwerk und im Ingenieurwesen, bei DIN-Normen und ISO-Standards sind geschrieben für Temperaturen, Stürme und Niederschläge der Vergangenheit.“ Ein Problem, dass auch die Senatsverwaltung der Hauptstadt in einem Bericht bereits 2016 adressiert hat. Denn unsere aktuelle Art zu bauen, verschärft den Klimawandel, während urbane Räume wie etwa Berlin – insbesondere Gebäude und Infrastruktur – auf das Klima eingestellt seien, „das sich in der Vergangenheit entwickelt hat.“

Auch das Drumherum ist entscheidend: Wir brauchen freie Flächen, damit Regen versickern und Grundwasser bilden kann, und in Böden, die wir in Ruhe lassen, stecken Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Sie sind dort gebunden, sodass kein weiteres CO2 entsteht. 52 Hektar Fläche verschwinden aber täglich zwischen Ost- und Bodensee, weil wir bauen –  Straßen, Gebäude, Infrastruktur. Auch die Artenvielfalt leidet massiv darunter. Dabei wollen wir das bis 2030, so steht’s in den UN-Nachhaltigkeitszielen und der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, deutlich reduzieren. Und: Jede Sekunde entstehen 7,3 Tonnen Bauabfälle in Deutschland.  

Auf all das lässt sich am besten mit einem systemischen Ansatz antworten: Wie nutzen und erneuern wir den Gebäudebestand also richtig, effizient und gemeinsam? Wie können wir besser planen und besser wiederverwerten?

Wer tut schon was?

Für die schleppende Altbau-Modernisierung gibt es Lösungen. Serielle Sanierung von Altbauten würde helfen und sie funktioniert bereits – praktisch und schnell. Häuser werden vermessen, eine dämmende Außenhülle wird modular gefertigt und einfach aufgesetzt, wie das Unternehmen ecoworks zeigt. Das Ergebnis: Verbesserte Energieeffizienz bei eingesparter Zeit und Arbeitskraft –  Stichwort Fachkräftemangel. 

Konkrete Antworten versucht auch die Initiative New European Bauhaus (NEB) zu geben. Deswegen ist Mission Wertvoll auch beim gleichnamigen, eingangs erwähnten Festival in Brüssel dabei.  

Das Konzept hinter Festival und Initiative mit Blick auf ausgewählte Projekte basiert auf vier Schwerpunkten: Eine Rückbesinnung auf die Natur, ein neues Gemeinschaftsgefühl, der Blick auf verletzliche Gruppen und Orte – Inklusion, Barrierefreiheit – und der Aufbau einer kreislauforientierten Industrie, die Rohstoffe und Materialien bestmöglich wiederverwertet. Es geht vor allem um lokale Lösungen und Produktion, nachhaltiges Design und ein Netzwerk aus Praktikern, das schnell wächst.

Die Initiative New European Bauhaus wurde 2020 gegründet und soll die Ideen der Bauhaus-Architektur für das 21. Jahrhundert aufgreifen. Im Zentrum stehen Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion.
Ein bereits ausgezeichnetes Pilotprojekt, das Nachahmer finden soll, ist TOVA. Gebäude in Spanien und Italien werden mit Hilfe einer innovativen 3-Druck-Technik gebaut. Grundstoff für die einzelnen Teile ist der lokale Boden. Alles läuft über regionale Dienstleistungen und Planung, es enstehen nahezu kein Müll und kaum Emissionen.

Insgesamt lässt sich durch einen systemischen Ansatz viel erreichen: Die Verbindung von Stadtplanung, Gebäudekonzepten, Verkehrspolitik und sozialen Dynamiken kann Nutzungsverhalten nachhaltig verändern. Welchen Impact die ganzheitliche Kombination von Bau- und Verkehrskonzepten haben können, zeigt der Stadtteil Vauban in Freiburg.

Wie ist der nächstmögliche Schritt?

Natürlich gibt es auch gewaltige Zielkonflikte. Öko-soziales, klimaneutrales Bauen ist noch teuer. Flächen sind umkämpft. Aber werden Lösungen verwoben, wirken sie gemeinsam: Holzbaukonzepte sind auch wichtige CO2-Speicher, mehr und mehr private Solaranlagen spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Energiewende, sodass Dachflächen nicht ungenutzt bleiben.

Das wird allerdings nur gelingen, wenn insbesondere Rahmenbedingungen, Regeln und Gesetze angepasst werden. Sie brauchen selbst ein nachhaltigeres Design, neue ganzheitliche Maßstäbe und Formen. Auch deswegen ist – bei aller Kritik – das Gebäudeenergiegesetz sinnvoll. Es braucht Anreize für eine bessere Wohn- und Baupraxis. Warum das wichtig ist? Nur ein systemisches Beispiel: Allein die Dekarbonisierung von Zement- und Stahlindustrie in Deutschland ist schwierig, dauert lange – und kommt selbst nicht ohne viel Umbau aus.   

Was für eine echte Wertschöpfung und -erhaltung aus ökologischer, sozialer und gesundheitlicher, aber auch wirtschaftlicher Hinsicht berücksichtigt werden müsste, hat der Verein Architects 4 Future formuliert. Es sind zehn einfache Empfehlungen wie Abriss kritisch zu hinterfragen und Bedarf zu überdenken, klimapositiv zu konstruieren und integral zu planen. Besprechen könnte man diese Punkte bei einem Gipfel zum Thema Altbau-Sanierung im Kanzleramt – mit Wissenschaft, Mietern, Eigentümern, Industrie und Verwaltung. Den gibt’s noch nicht, aber die Idee ist nicht schlecht, oder?

Mehr Konstruktives zum Thema...

Konkrete Gespräche zur Bauwende

Die zehn Forderungen der Architects 4 Future werden in den nächsten Monaten konkret im Rahmen einer Kooperationsreihe mit Unis diskutiert. Die offenen Veranstaltungen werden gestreamt und aufgezeichnet.
Symbolbild: IMAGO / Frank Sorge

So werden aus leeren Büros günstige Wohnungen

In dieser Folge der SWR-Reihe „Wir können auch anders“ stellen Anke Engelke, Annette Frier und Axel Prahl Innovationen im Gebäudesektor vor – und lassen sich erklären, wie sich ein Stadion recyclen lässt.
 Foto: IMAGO / Westend61

Was in unseren Häusern steckt

Das Gebäudeforum Klimaneutral erklärt anschaulich, welche Materialen bei uns verbaut werden – und wie sich deren Verwendung seit dem Jahr 2000 verändert hat. 

Der Gebäudereport 2024

Der Bericht der Deutschen Energie-Agentur ist nicht nur ein aktuelles Nachschlagewerk, sondern bietet Hintergründe zu den Themen Förderung, Klimaschutz und Energieverbrauch. 

Hören Sie auch ständig, dass Neubauten besser sind als Altbauten?

Neben dem riesigen Energieaufwand für neue Gebäude ist auch die Erhitzung des Innenraums durch die großen, oft bodentiefen Fenster in Neubauten angesichts eines immer heißeren Klimas ein Problem, wie eine Studie aus der Schweiz zeigt. Altbauten mit massiven Wänden und etwas kleineren Fenstern schneiden in puncto Schutz vor Sonne und heißen Nächten teilweise deutlich besser ab.

Die Pinnwand – Mission Wertvoll sehen und hören

Wie man eine Zukunft baut

Maja Göpel spricht mit dem Journalisten und Schriftsteller Philipp Blom über zentrale Transformationsthemen, einen hoffnungsvollen Blick nach vorn – und warum es dafür eine Erlauber-Logik braucht. 
Foto: IMAGO / Pond5 Images

Was uns auch noch gefallen hat...

Eine neue Diskurskultur beginnt mit einer positiven Idee

Wie die medialen Lagerkämpfe verlassen, wie wieder besser ins Gespräch kommen? Der Journalist Stefan Schultz zeigt auf der Plattform Medium, warum es dafür ein Zielbild braucht – und wer dabei helfen kann.
Symbolbild: IMAGO / Hoch Zwei/Angerer
Der Debattenkompass Wert & Wirkung erscheint alle zwei Wochen.
 
 Wir freuen uns über Feedback per Mail an: contact@mission-wertvoll.org

Folgen Sie uns gerne auf LinkedIn und Bluesky:
Wenn Sie diesen Newsletter (an: unknown@noemail.com) nicht mehr empfangen möchten, können Sie ihn hier abbestellen.
Global Eco Transition gGmbH | c/o Gameduell | Taubenstraße 24 | 10117 Berlin | Deutschland | +49 (0) 30 / 75 43 79 77 | contact@mission-wertvoll.org | https://www.mission-wertvoll.org | Geschäftsführer/in: David Wortmann, Prof. Dr. Maja Göpel | Tax ID: DE323281646