Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher?
Die nachhaltige Erneuerung von Normen und Formen im Planungs- und im Baugewerbe ist zudem dringend notwendig, schreiben die Klima-Journalisten Toralf Staud und Nick Reimer in ihrem Sachbuch „Deutschland 2050“ zum Thema. „Tausende Regeln in Handwerk und im Ingenieurwesen, bei DIN-Normen und ISO-Standards sind geschrieben für Temperaturen, Stürme und Niederschläge der Vergangenheit.“ Ein Problem, dass auch die Senatsverwaltung der Hauptstadt in einem Bericht bereits 2016 adressiert hat. Denn unsere aktuelle Art zu bauen, verschärft den Klimawandel, während urbane Räume wie etwa Berlin – insbesondere Gebäude und Infrastruktur – auf das Klima eingestellt seien, „das sich in der Vergangenheit entwickelt hat.“
Auch das Drumherum ist entscheidend: Wir brauchen freie Flächen, damit Regen versickern und Grundwasser bilden kann, und in Böden, die wir in Ruhe lassen, stecken Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Sie sind dort gebunden, sodass kein weiteres CO2 entsteht. 52 Hektar Fläche verschwinden aber täglich zwischen Ost- und Bodensee, weil wir bauen – Straßen, Gebäude, Infrastruktur. Auch die Artenvielfalt leidet massiv darunter. Dabei wollen wir das bis 2030, so steht’s in den UN-Nachhaltigkeitszielen und der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, deutlich reduzieren. Und: Jede Sekunde entstehen 7,3 Tonnen Bauabfälle in Deutschland.
Auf all das lässt sich am besten mit einem systemischen Ansatz antworten: Wie nutzen und erneuern wir den Gebäudebestand also richtig, effizient und gemeinsam? Wie können wir besser planen und besser wiederverwerten?
Wer tut schon was?
Für die schleppende Altbau-Modernisierung gibt es Lösungen. Serielle Sanierung von Altbauten würde helfen und sie funktioniert bereits – praktisch und schnell. Häuser werden vermessen, eine dämmende Außenhülle wird modular gefertigt und einfach aufgesetzt, wie das Unternehmen ecoworks zeigt. Das Ergebnis: Verbesserte Energieeffizienz bei eingesparter Zeit und Arbeitskraft – Stichwort Fachkräftemangel.
Konkrete Antworten versucht auch die Initiative New European Bauhaus (NEB) zu geben. Deswegen ist Mission Wertvoll auch beim gleichnamigen, eingangs erwähnten Festival in Brüssel dabei.
Das Konzept hinter Festival und Initiative mit Blick auf ausgewählte Projekte basiert auf vier Schwerpunkten: Eine Rückbesinnung auf die Natur, ein neues Gemeinschaftsgefühl, der Blick auf verletzliche Gruppen und Orte – Inklusion, Barrierefreiheit – und der Aufbau einer kreislauforientierten Industrie, die Rohstoffe und Materialien bestmöglich wiederverwertet. Es geht vor allem um lokale Lösungen und Produktion, nachhaltiges Design und ein Netzwerk aus Praktikern, das schnell wächst.
Die Initiative New European Bauhaus wurde 2020 gegründet und soll die Ideen der Bauhaus-Architektur für das 21. Jahrhundert aufgreifen. Im Zentrum stehen Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion. Ein bereits ausgezeichnetes Pilotprojekt, das Nachahmer finden soll, ist TOVA. Gebäude in Spanien und Italien werden mit Hilfe einer innovativen 3-Druck-Technik gebaut. Grundstoff für die einzelnen Teile ist der lokale Boden. Alles läuft über regionale Dienstleistungen und Planung, es enstehen nahezu kein Müll und kaum Emissionen.
Insgesamt lässt sich durch einen systemischen Ansatz viel erreichen: Die Verbindung von Stadtplanung, Gebäudekonzepten, Verkehrspolitik und sozialen Dynamiken kann Nutzungsverhalten nachhaltig verändern. Welchen Impact die ganzheitliche Kombination von Bau- und Verkehrskonzepten haben können, zeigt der Stadtteil Vauban in Freiburg.